Mit der Guest-Managerin im Gespräch


Nachdem wir die organisatorischen Schwierigkeiten in den Griff bekommen hatten - unsere Interviewpartnerin Marie-Christine Knop ist als Guest Managerin schwer beschäftigt -, hatten wir endlich einen Termin vereinbart. Am Samstag nach der 10 Uhr–Vorführung von Kopfüber fahren Johanna, Klara und ich zum Potsdamer Platz, um dort im dreieckigen Gebäude, in dem auch Generation sitzt, ein Interview mit der Guest Managerin zu führen. Wir begleiten Marie-Christine Knop in ihr – wie sie es selbst nennt – provisorisches Büro, das etwas unaufgeräumt wirkt und beginnen mit dem Interview. Sie ist noch sehr jung, daher dürfen wir sie duzen. Schnell bemerken wir, dass sie gerne ausführlich ihre Fragen beantwortet.

Generation Reporter: Wie lange machst du diesen Job schon?
Marie-Christine Knop: Dieses Jahr ist das fünfte Mal, sozusagen seit vier Jahren.

GR: Machst du diesen Job immer nur während der Berlinale?
M-C. K.: Also ich habe so einen ähnlichen Job auch schon einmal bei dem Jugendorchesterfestival und vorher auch schon bei einem Literatur-Festival gemacht. Da bin ich sozusagen reingestolpert und habe dann auf ganz niedriger Basis Rosen verteilt, den Gong geschlagen und Wassergläser auf die Bühne gestellt. An sich mache ich aber das Ganze nur zwei Wochen im Jahr.

GR: Wie bist du denn zu dem Job gekommen?
M-C. K.: Ich habe damals in Augsburg studiert und in München gewohnt und hatte dann die Idee, dass ich unbedingt einmal in Berlin wohnen möchte. Dann habe ich mich in Berlin um ein Praktikum beworben, bei dem Zebra Poesie Festival, das ich dann auch erhalten habe. Parallel dazu lief gerade das eben erwähnte Literatur-Festival. Sie haben noch Mitarbeiter gesucht und da habe ich mir gedacht, dass ich das eigentlich auch noch machen könnte. Dort hatte ich, wie bereits erwähnt, dann die Aufgabe Rosen zu verteilen usw. Meine ganz tolle Chefin dort hat auch für die Berlinale gearbeitet. Ich rief sie im Februar an und ich hatte ganz große Lust bei der Berlinale mitzuarbeiten – was man sicherlich verstehen kann. Das hat dann ziemlich spontan geklappt, was mich sehr gefreut hat.

GR: Was genau ist deine Aufgabe?
M-C. K.: Ich bin im Guest Management tätig. Ich bin immer am Flughafen von 9 – 21.00 Uhr, also 12 Stunden täglich. Wir sind dann sozusagen die erste Anlaufstelle, wenn man am Flughafen ankommt. Wir haben unseren eigenen Counter und kümmern uns dann darum, dass die Leute in Shuttle-Bussen in die Stadt gebracht werden. Wir nehmen sie in Empfang und holen sie manchmal auch von Gate ab mit einem Schild in der Hand und unterstützen auch andere Abholungen am Flughafen, wenn da mal ein Flug verspätet ist – das ist ja alles sehr eng getaktet – oder wenn viel mehr Gepäck kommt, als geplant ist. In solchen Situationen springen wir ein.

GR: Und wen konntest du dadurch alles schon treffen?
M-C. K.: Also natürlich laufen sehr viele vorbei. Das fängt bei Uwe Ochsenknecht an, der einfach nur fragt, ob er sich ein Programm mitnehmen kann, geht dann über Matt Damon weiter, bis hin zu Isabella Rossellini. Die kommen dann dort aus dem Gate raus, meistens sogar ganz normal mit den anderen Passagieren. Sobald sie draußen sind, müssen sie sich dann den ganzen Autogrammjägern stellen, die sie dann belagern.

GR: Hast du denn manchmal auch die Gelegenheit mit den Stars zu reden? Oder laufen die wirklich nur vorbei?
M-C. K.: Manchmal gibt es tatsächlich so eine Gelegenheit. Ich habe so einen Ausweis, dass ich die Leute direkt von Gepäckband abholen darf. Da kümmern wir uns dann natürlich ums Gepäck, aber da hatte ich tatsächlich die Möglichkeit mich mit Isabella Rossellini für 15 Minuten zu unterhalten, weil das Gepäck so lange gebraucht hat. Wenn so etwas passiert, kommt man dann schon mal dazu. Man würde die natürlich nicht zutexten und guckt zunächst, in welcher Stimmung sie sich befinden, dann fragt man, ob alles okay ist und ob man noch irgendetwas regeln muss.

GR: Worüber hast du denn mit Isabella Rossellini dann gesprochen?
M-C. K.: Wir haben über Berlin und über die Berlinale geredet und wie gerne sie hier ist. Dann fragte sie mich, was ich später einmal beruflich machen möchte und ob ich auch etwas mit Film machen möchte. Über solche Dinge haben wir gesprochen.

GR: Was gefällt dir am meisten an diesem Job?
M-C. K.: Generell liebe ich Festivals. Ich mag diese Stimmung, dass auf einmal alles so ein Mikrokosmos ist. Das geht euch vielleicht auch so. Außenrum passiert dann irgendwie nichts mehr. Man ist in diesem Festival und schaut Filme. Wenn man mit anderen Menschen spricht, die nicht an diesem Festival teilnehmen und zum Beispiel ins normale Kino gehen und einfach einen normalen Film gucken, dann kann ich das gar nicht verstehen. Das ist für mich völlig unbegreiflich. Also das mag ich wirklich sehr, sehr gerne an Festivals. Als zweites finde ich es toll, dass dann plötzlich alle am selben Strang ziehen.
Und außerdem bin ich ein kleiner Groupie. Ein Kollege von mir kennt die meistens gar nicht. Dann freue ich mich zum Beispiel total, dass Emma Stone vorbeikommt und er weiß gar nicht, wer das ist. Das kann ich dann gar nicht nachvollziehen. Also berühmte Leute zu sehen, mach mir auch total viel Spaß.

GR: Kriegst du denn auch manchmal Autogramme von den Stars?
M-C. K.: Nein, aber danach würde man auch nicht fragen. Die werden so von den ganzen Leuten, die alle Autogramme haben wollen, belagert. Da würde man so etwas nicht tun. Das wäre unpassend. Man behandelt die Stars als Guest Manager dann nicht auch noch so wie die vielen anderen Groupies, die alle nur auf ein Autogramm aus sind.

GR: Gibt es auch etwas, das dich an dem Job stört?
M-C. K.: Wenn man am zehnten Tag wieder 12 Stunden in Tegel oder Schönefeld sitzt. Das ist man einfach nicht gewöhnt und das ist dann auch echt anstrengend. Aber dass ich diesem Job schon zum fünften Mal mache, zeigt sicherlich, wie viel Spaß mir diese Arbeit hier bereitet.

GR: Gab es denn auch Highlights bisher?
M-C. K.: Also dass ich mich so lange mit Isabella Rossellini unterhalten konnte, war dieses Jahr wirklich toll, weil sie wahnsinnig nett war. Die erste Frage, die sie mir stellte, war: „How did you recognize me?“. Also total uneitel. Das fand ich total toll.
Es gab noch total viele andere Highlights in den letzten Jahren, die kann ich gar nicht alle aufzählen, nur auf eine Sache will ich noch näher drauf eingehen. In der ersten Berlinale hatte ich wahnsinnig viel Pech. Da saßen meine Gäste einfach nie im Flugzeug. Dann stehst du da mit dem Schild in der Hand am Gate, musst die abholen und du wartest und wartest und wartest. Irgendwann sagt dir das Security-Personal, dass das der letzte Passagier gewesen sei und dann wird es sehr anstrengend. Dann musst du das regeln und kommunizieren, ob sie vielleicht irgendwo hängen geblieben sind, ist der überhaupt gar nicht unterwegs und so weiter und so fort. Bei meiner ersten Berlinale als Guest Managerin hätte ich also auch fast einen berühmten Star abgeholt und er saß einfach nicht im Flugzeug. Dabei hatte ich mich schon so gefreut. Deswegen war es für mich dieses Jahr ein Highlight, dass wirklich alle meine Gäste im richtigen Flugzeug saßen.

GR: Hattest du denn dann diese Berlinale überhaupt schon die Zeit einen Film des Festivals anzugucken? Oder warst du einfach bisher zu beschäftigt?
M-C. K.: Also meisten sitze ich echt von 9.00 – 21.00 Uhr am Flughafen. Aber manchmal schaffen wir es dann abends in eine Vorstellung zu gehen, aber dann ist man echt schon ein bisschen kaputt. Es gibt aber für die Mitarbeiter in der Woche danach nochmal so Screenings. Da kann man dann die Filme nochmal sehen.

GR: Bist du eigentlich fest dabei? Also in dem Sinne, dass du nächstes Jahr wieder definitiv dabei bist.
M-C. K.: Also man wird schon gefragt, aber fest ist in der Kulturbranche alles nicht. Aber ich merke schon selber, dass es über die Jahre hinweg Sinn macht, wenn man sich auskennt. Man weiß, wie so ein Flughafen funktioniert. Man weiß, wo „Lost & Found“ ist. Man wird nämlich auch schonmal als Informationsschalte missbraucht. Es kommen einfach alle und fragen irgendetwas. Denen müssen wir dann immer mitteilen, dass wir keine Touristen-Informationsstelle sind. Da ist es schon gut, wenn die gleichen Leute das wieder machen. Man kriegt eine größere Gelassenheit, man hatte die meisten Fälle alle schonmal, man kennt teilweise das Flughafenpersonal. Deswegen ist es wirklich wahrscheinlich, dass man wieder gefragt wird.

GR: Vielen Dank für das Interview!

Sarah Gosten

Preisverleihung Kplus


Eine Auflistung aller Preise aus der Sektion Kplus.

Internationale Jury

Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Die Igel und die Stadt von Evalds Lacis (Lettland)

Hauptpreis von 2500€: Cheong von Kim Jung-in (Korea)

Die Igel und die Stadt
Cheong
Featurefilm

Lobende Erwähnung: Satellite Boy von Catriona McKenzie (Australien)

Hauptpreis von 7500€: Mama, ich lieb dich von Janis Nords (Lettland)


Satellite Boy
Mama, ich lieb dich
Kinderjury

Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Die Igel und die Stadt von Evalds Lacis(Lettland)

Gläserner Bär: Das Bersteinamulett von Matthew Moore (Australien)

Die Igel und die Stadt
Das Bersteinamulett

Featurefilm

Lobende Erwähnung: Satellite Boy von Catriona McKenzie (Australien)

Gläserner Bär: Die Rakete von Kim Mordaunt (Australien)

Satellite Boy
Die Rakete

16.02.2013, Sarah Gosten

Preisverleihung 14Plus


Eine Auflistung aller Preise von 14Plus.

Internationale Jury

Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Barefoot von Danis Goulet (Kanada)

Hauptpreis von 2500€: The First Time von Anders Hazelius (Schweden)


Barefoot
The First Time
Featurefilm

Lobende Erwähnung: Baby Blues von Kasia Rostaniec (Polen)

Hauptpreis von 7500€: Shopping von Mark Albiston (Neuseeland)

Baby Blues
Shopping

Jugendjury

Kurfilm

Lobende Erwähnung: The Date von Jenni Toivoniemi (Finnland)

Gläserner Bär: Rabbitland von Nikola Majdak und Ana Nedeljkovic (Serbien)

The Date
Rabbitland


Featurefilm

Lobende Erwähnung: Pluto von Shin Su-won (Korea)

Gläserner Bär: Baby Blues von Kasia Rostaniec (Polen)

Pluto
Baby Blues



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Sarah Gosten

They came from a land down under...


12.02.2013, Mia



… and I was lucky enough to watch their deeply touching film “Satellite Boy” AND to make an interview with them afterwards.

Generation Reporter: How did you find the actors?
Catriona McKenzie (director): We drove thousands and thousands of kilometers around the Kimberley (Western Australia) - with fairly no budget. So we literally had to stop at the side of the road and just camped.
In Fitzroy Crossing we found Cameron. He was playing outside under a tree. And we said: “Come on, and come in auditioning.”  And then, that is the moment when I listen a lot to my body if he could do it: “Yes or no”. This was the beginning and then we found Joseph in Wyndham. He is a real good football player. And we put them together which was a great pair. That’s how we do it.
GR: How long did it take you to make the film?
Catriona (director): About six weeks of filming and about two weeks for cutting. But a lot of time to prepare it.

GR: How was filming for you?
Joseph (Kalmain): It was a pretty different experience, I guess. But I mean the crew were really good and they helped me through my acting a lot. And I really enjoyed it.
GR: Was it your first time filming?
Joseph (Kalmain): Yes, it was my first time.

GR: How was filming for you?
Cameron (Pete): Hard. Pretty hard.
GR: Did you walk through the bush on your own like in the film before?
Cameron (Pete): Yes, I did. ( Looking quite serious saying that.)

GR: Ok, thanks.

Wie funktioniert Blindenschrift auf Chinesisch? - Das Publikumsgespräch bei Touch of the Light

Es war ein unglaublicher Film gewesen. Nach Touch of the Light, als der Abspann begann, herrschte eine überwältigende Spannung im Saal. Keiner wagte es, diesen Moment durch ein Klatschen zu zerstören. Als das erste langsame Lied des Abspanns schließlich von einer aufgewühlten, fröhlichen und lustigen Melodie abgelöst wurde, entlud sich die gesamte Begeisterung in einem lautstarken Applaus, der auch Minuten nach Ende des Abspanns noch nicht verstummen wollte. Stattdessen standen viele Leute auf, um deren Entzückung noch klarer zu verdeutlichen. Als die Darsteller und Filmemacher auf die Bühne kamen, brandete erneut riesengroßer Applaus auf.
Der Regisseur, Chang Jung-Chi, war völlig überwältigt, wie gut der Film angekommen war. Auch der blinde Hauptdarsteller, Huang Yu-Siang, konnte die Begeisterung im Raum durch den langanhaltenden Applaus gut nachvollziehen und bedankte sich herzlich dafür, da das etwas war, was er wirklich fühlen konnte.
Nachdem der Applaus, der auf diese Worte hin erklang, verstummte, erklärte Florian das Publikumsgespräch für eröffnet.


Wie funktioniert Blindenschrift auf Chinesisch? In China gibt es doch mehr als 1000 Schriftzeichen.

Es gibt ein spezielles Gerät, das extra dafür gedacht ist, die Schriftzeichen wiederzuerkennen. Das macht es etwas einfacher. Aber auch wirklich nur etwas.

Zunächst einmal: toller Film! Ich habe mich gefragt, ob der Hauptdarsteller, Huang Yu-Siang, einige Dinge vorgeschlagen hat, wie zum Beispiel die Kameraführung, weil er selbst natürlich am besten weiß, wie sich das Leben als Blinder anfühlt. (Auf diese Worte hin rufen sie den Kameramann auf die Bühne - der wirklich eine unglaubliche Arbeit geleistet hat – damit er als Fachmann die Frage beantworten kann)

Zunächst einmal vielen Dank. Tut mir leid, ich bin ein bisschen schüchtern. So direkt hat er nichts vorgeschlagen. Aber ich denke, dass der Film von den Verbindungen zwischen den Menschen handelt und das habe ich auch versucht mit meiner Kameraführung darzustellen.

Ist der Effekt mit dem gleißend weißen Gegenlicht eingesetzt worden, um zu verdeutlichen, wie ein Blinder sich fühlt?

Genau. Huang Yu-Siang kann spüren, wenn sich die Umgebung um ihn herum ändert. Er weiß, wenn es dunkel oder hell ist, ob es schattig ist und ob das Licht gedimmt oder gleißend hell ist, ob es eher warm oder kalt ist. Das alles kann er sehen, deshalb habe ich diesen Effekt mit dem Gegenlicht eingesetzt, um das zu verdeutlichen.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den Film auf der großen Leinwand gesehen haben?

Also ich habe ihn jetzt schon mehrmals in ganzer Länge gesehen und muss sagen, dass er mir bei jedem Mal besser gefallen hat.

Huang Yu-Siang, haben Sie das als kleiner Junge wirklich erlebt, dass ein anderer Junge behauptet hat, Sie hätten den Wettbewerb nur gewonnen, weil sie blind sind?

Nein, das ist mir nicht wirklich passiert.

Wie nah ist der Film der Realität?

Da gibt es nicht wirklich viele Unterschiede zum wahren Leben auf dem Campus. Die Uni war der netteste Platz auf der Welt. Die Menschen dort waren alle sehr warmherzig und offen und beim Dreh war es genauso. Wenn jemand zum Beispiel begann Violine zu spielen, setzten die anderen nach und nach ein und improvisierten. Wir waren alle wie eine große Familie.

War das Mädchen wirklich deine Freundin?

Sie ist ein sehr, sehr nettes Mädchen, aber nein, sie ist wirklich nur eine gute Freundin.

Ich bin zusammen mit einem Mädchen aufgewachsen, das von Geburt an blind war, deswegen verstehe ich nun nach Jahren ungefähr, was Blinde durchmachen. Ich habe auch schon früher Filme über Blinde gesehen, die mich für gewöhnlich sehr geärgert haben, weil sie nicht annähernd erfasst haben, wie es den Blinden wirklich geht. Also wollte ich fragen, wie Sie es geschafft haben, diese Stimmung einzufangen.

Wir haben uns 2005 kennengelernt. Er war der erste Blinde, den ich jemals getroffen habe, daher war es eine ziemlich berührende Erfahrung. Wir sind zusammen ans Meer gefahren, damit er dort seine Erinnerungen noch einmal durchleben kann. Doch als wir dort ankamen, konnten wir nicht an den Strand, weil überall Felsen im Weg waren. Da habe ich zum ersten Mal wirklich bemerkt, wie schwierig es für jemanden sein muss, wenn er nicht sehen kann. Huang Yu-Siang hätte nämlich nicht so ohne weiteres über die Felsen klettern können. Alles benötigt viel mehr Zeit und Aufwand, wenn man blind ist. Wir unternahmen noch sehr viel Anderes zusammen, wo ich genau das immer wieder feststellen musste. Dieser Unterschied wurde mir durch unsere Treffen immer wieder vor Augen geführt. Daher hatte ich nach der Zeit ein ziemlich gutes Gespür dafür, wie er sich wohl fühlen muss.

Am Ende verkündete der Regisseur, dass wir Zuschauer noch einen kurzen Augenblick warten sollen, da Huang Yu-Siang noch etwas vorbereitet hat. Gespannt fragten wir uns, was das wohl sein könne. Huang Yu-Siang zog eine Karte aus seiner Tasche, hielt sie an seinen leicht geöffneten Mund und klopfte mit den Fingern einen Rhythmus. Tatsächlich schaffte er es, dabei sogar unterschiedliche Töne zu erzeugen. Das war ein Trick, der auch im Film vorgekommen war.
Die begeisterte Menge begann laut zu klatschen und zu johlen. Der Applaus verklang erst, als die Darsteller schon längst von der Bühne verschwunden waren.

Sarah Gosten

Interview mit der Regisseurin von Marussia


Als wir nach dem Film den Kinosaal verlassen, bildet sich schon eine lange Schlange vor den Tischen, an denen die Darsteller gleich Autogramme geben werden. Wir stellen uns an und nach mehreren Minuten fragen wir, als sie uns gerade ihre Autogramme geben, ob sie sich für fünf Minuten mit uns unterhalten könnten. Die Regisseurin stimmt lächelnd zu, doch die Hauptdarstellerin braucht ihre Ruhe und möchte uns lieber kein Interview geben.

Generation Reporter: Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Film?

Eva Pervolovici: Ich hatte Marussia kennengelernt, als sie gerade einmal vier Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie leider noch kein Französisch, doch trotzdem spielten wir häufig zusammen. Irgendwann habe ich dann auch ihre Mutter getroffen, wir gingen sofort zusammen Kaffee trinken und sie erzählte mir ihre Geschichte. Ich war tief betroffen von deren Schicksal, sodass ich beschloss einen Film daraus zu machen. Natürlich ist nicht alles identisch, aber das Grundgerüst stammt von deren Geschichte.

Wie haben Sie den Film denn drehen können? Er spielt doch so viel auf den Straßen und in öffentlichen Einrichtungen.

Eva Pervolovici: Für die öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Obdachlosenunterkunft, brauchten wir Genehmigungen. Auf der Straße konnten wir natürlich einfach so drehen und in der U-Bahn und in der Oper haben wir unerlaubter Weise gedreht, da das sonst viel zu viel Geld gekostet hätte.

Wie lange hat denn der ganze Prozess gedauert?

Eva Pervolovici: Also die Idee dazu kam mir vor 3 Jahren, dann musste natürlich noch das Drehbuch geschrieben und generell alles gut vorbereitet werden. Dann kommen natürlich auch noch die Dreharbeiten dazu. Da Marussia noch so klein ist, konnten wir allerdings nicht so viele Tage hintereinander drehen. Wir haben dann immer zwei Tage gedreht, ein Tag Pause gemacht, drei Tage gedreht und wieder ein Tag Pause gemacht und so weiter. Insgesamt hatten wir dann 44 Drehtage, die sich auf zwei Monate erstreckt haben.

Wie konnte eigentlich Marussia ihren Text lernen? Sie ist doch noch so klein!

Eva Pervolovici: Sie musste ihn nicht lernen. Vor jeder Szene haben wir ihr einmal gezeigt, was sie machen soll und das hat sie dann mehr oder weniger gut umgesetzt.

Wie war es eigentlich für die Schauspielerin der Mutter, Dinara Drukarova, an der Seite eines so jungen Kindes einen Film zu drehen?

Eva Pervolovici: Sie meint, es sei eine ganz tolle Erfahrung gewesen. Bei den Dreharbeiten habe ich selbst gemerkt, dass es eine große Herausforderung ist – nicht nur für die Schauspielerin, auch für das restliche Team – mit so einem kleinen Kind zu arbeiten. Man kann eigentlich nie genau wissen, was sie als nächstes macht. Es passieren total viele unvorhersehbare Dinge, wenn man mit einem Kind dreht. Es ist also einerseits sehr schwer, aber andererseits auch ein sehr schönes Geschenk.

Wie haben Sie eigentlich die Schauspielerin der Mutter gefunden?

Eva Pervolovici: Wir hatten ein sehr langes Casting in ganz Europa und haben uns hunderte von Bewerberinnen angesehen. Schließlich haben wir Dinara Drukarova gefunden, die eine sehr bekannte Schaupielerin in Frankreich ist.

Gibt es denn in Paris viele Obdachlose?

Eva Pervolovici: Das Problem der Obdachlosigkeit ist schon ein Problem. Ich sehe beispielsweise in der Nähe meines Zuhauses immer eine Familie mit drei jungen Kindern, die leider auch obdachlos ist und manchmal auf der Straße schlafen muss. Das finde ich sehr traurig.

Warum hatte der Film denn eigentlich so ein abruptes Ende?

Eva Pervolovici: Es hätte noch die ganze Zeit so weitergehen können, das Leben ist schließlich lang, aber irgendwann muss man dann auch einfach den Schlussstrich ziehen.

Sind Sie das erste Mal in Berlin?

Eva Pervolovici: Oh nein, ich war bereits vor 5 Jahren beim Berlin Campus und habe hier auch schonmal meinen Kurzfilm „Little Red“ gezeigt. Insgesamt bin ich schon zum vierten Mal hier.

Und wie gefällt Ihnen die Stimmung hier?

Eva Pervolovici: Sie ist unglaublich. Uns außerdem liebe ich einfach dieses Kino. Es ist doch wirklich toll: so groß und architektonisch wirklich schön.

Dem können wir nur zustimmen. Wir bedanken uns bei ihr, geben ihr noch einen Flyer von uns mit, da sie sehr interessiert wirkt und verabschieden uns schließlich.

Sarah Gosten

Ein erhellendes Publikumsgespräch - The Cold Lands

Während man vielleicht noch mitten im Film die Stirn runzelte, so glätteten sich die Falten doch recht bald, als Regisseur Tom Gilroy zu sprechen beginnt. Es war vielleicht das angenehmste und informativste Publikumsgespräch, bei dem ich je dabei war, da Gilroy von sich aus sehr viel und ausführlich erzählte und noch viel mehr Informationen gab, als es zum Beantworten der Frage benötigt hätte. Das war wirklich großartig, denn ich schätze, andernfalls hätte ich den Film auch etwas schlechter in Erinnerung behalten.

Zuerst dankt uns der Regisseur ganz herzlich, denn es sei eine tolle Erfahrung, den Film auf einer so großen Leinwand zu sehen - und das auch noch in einem Raum voller fremder Leute! Außerdem war es auch für jedes Mitglied der Filmcrew das erste Mal, den Film auf einer so großen Leinwand zu sehen.

Wie war es, mit einem so jungen Menschen zu arbeiten?
Tom Gilroy: Es war großartig. Silas lebt in der Stadt, in der wir größtenteils gedreht haben. Das war mir sehr wichtig, denn ich wollte einen glaubwürdigen Schauspieler haben, der sich mit Tieren auskannte, auf einer Farm lebte. Als ich auf der Suche nach so einem Schauspieler war, sah ich Silas bei einer Theateraufführung in seiner Stadt, er war einer der Stars. Nach der Veranstaltung sprach ich ihn an und er nahm mein Angebot an. Für vier oder fünf Monate gab ich ihm Schauspielunterricht, immer etwa zwei bis drei Stunden. Vor dem Dreh wollte ich Silas noch einmal vor der Kamera sehen, um entscheiden zu können, ob wir überhaupt einen Film würden drehen können, und wir arrangierten einen Kurzfilm mit meiner einer ganz kleinen Crew in meinem Haus. Anscheinend gefiel Silas am Ende selbst, was er sah, denn er war einverstanden, weitere sechs Monate mit mir zu arbeiten, und dann drehten wir den Film.

Wie kam der Film zu seinem Titel "The Cold Lands"
TG: Im Nordosten Amerikas gibt es eine Menge Schilder, die die Geschichte der Felder erläutern oder kennzeichnen. Am Ende des Films wurde ein solches Schild gezeigt. Es steht nicht weit entfernt auf dem Weg zu meinem Haus und es bezeichnet "The Cold Lands". Immer, wenn jemand Probleme mit dem Gesetz bekam, zum Beispiel eines Verbrechens beschuldigt wurde, und dann auf einmal verschwand, dann war man angeblich in die "Cold Lands" verschwunden.

Was genau wollte Sie mit dem Film ausdrücken, gab es eine große Sache, die Sie verfolgt haben?
TG: Ich wollte einen Film über ein Kind drehen, das mit Umständen konfrontiert wird, die gefährlich oder riskant sind. Und auch wenn es für das Kind gut ausgeht, macht man sich Gedanken darüber, was ihm in einer solchen Gesellschaft passieren könnte.


Während des Drehs, haben Sie Silas nur direkte Anweisungen gegeben, wie er spielen sollte, oder haben sie mit ihm darüber gesprochen, wie es wäre, seine Mutter zu verlieren und anderes?
TG: Ich habe mit Silas nie die großen Fragen des Films diskutiert. Es war immer mehr wie "wenn das passieren würde, was würdest du dann tun, wie würdest du dich fühlen". Ich denke, für ihn war es eher wie ein großes Spiel. Er hat sich wohl gedacht "dieser Typ hat mir jetzt fast ein Jahr lang versucht, etwas beizubringen, und jetzt habe ich die Gelegenheit, zu zeigen, was ich drauf habe." Es war mehr ein Abenteuer, eine Erfahrung für ihn. Er hat es einfach getan. Und bis jetzt hat er den Film auch noch nie gesehen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er großartig etwas dazu zu sagen hätte.

An welche Krankheit ist die Mutter denn gestorben?
TG: Sie litt an Diabetes. Was dann oft passiert, ist, dass man einen kleineren Herzinfarkt erleidet, doch die Symptome sind denen der Diabetes sehr ähnlich, weshalb man sie kaum bemerkt. Doch dann gibt es einen größeren Herzinfarkt, an dem man eben stirbt. Die Mutter im Film hatte zu der Zeit schon einen Herzinfarkt und ist dann an dem anderen gestorben.

Wie war es denn für die Schauspieler, mit einem Kind, bzw. mit Silas zu arbeiten?
Peter Scanavino: Es war natürlich ganz anders, als mit einem Erwachsenen zu arbeiten, aber um ehrlich zu sein, hat es mich mehr beruhigt, als aufgeregt. Es gab diverse einfache Momente, da wir nicht unbedingt mehr gemacht haben, als unbedingt nötig war, es war wirklich entspannt mit Silas.

Wie lange habt ihr gedreht?
TG: 5 Wochen. Es waren teilweise sehr kurze Wochen, da Silas ja Schule hatte, und zwischendurch kam dann auch noch ein Hurrikane, also war die erste Frage morgens immer, wie das Wetter war, ob wir überhaupt etwas aufnehmen konnten.

Was denken Sie, wie hat sich das Kind gefühlt? Der Junge war so allein, war er stark und mutig, oder eher traurig?
TG: Ich denke, er hat Peter vertraut und die Dinge kamen einfach, wie sie kamen. Er hatte nicht wirklich eine andere Wahl, als die Dinge so zu nehmen, wie sie eben kamen. Was passierte, das passierte. Er hatte seine Mutter verloren, was ein ziemlicher Schock war, aber ich weiß nicht, ob er besonders allein war. Er war eher neugierig, nachdenklich, bedächtig. Mein Ziel war es mehr, einen Film über den Teil des Lebens eines Heranwachsenden zu drehen, zu dem man langsam anfängt, über Dinge nachzudenken und sie anders wahrzunehmen. Wenn ein 11-Jähriger beginnt, über wichtigere Dinge als Sport und Essen nachzudenken und langsam beginnt, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Und obwohl er seine Mutter in dieser Zeit seines Lebens am meisten brauchen könnte, kann sie nicht für ihn da sein. Es ist, als stünde er in einer plötzlich geöffneten Tür und wüsste nicht so genau, wo es langgeht, weil er auf einmal allein gelassen wurde.

Johanna Gosten

Generation goes Kiez

Schon als Johanna und ich aus der Straßenbahn aussteigen und ich ihr das Kino zeige, sieht man, dass die Berlinale auch hier angekommen ist. Vor dem Kino Toni in Berlin-Weißensee steht eine Berlinalewand, und ein roter Teppich, so wie es sich für die Berlinale gehört. Wir haben vor ein Interview mit Michael Verhoeven und Senta Berger (die Filmpaten des Kinos) zu machen, also gucken wir uns neugierig um, ob sie schon angekommen sind.
Nachdem wir eine Weile herumgelaufen sind, stellen wir fest, dass sie noch nicht da sind. Eine Frau mit zwei roten Berlinale-Geschenktüten sieht wichtig aus. Sie sagt, Michael Verhoeven und Senta Berger kommen gleich und es sei kein Problem ihnen ein paar Fragen zu stellen.
Am roten Teppich warten wir auf die Filmpaten, wobei uns ziemlich kalt wird. Doch dann kommen sie und ich kann noch ein paar Fotos machen, danach gehen wir mit ins Kino, doch es ist gar nicht so leicht einen von beiden anzusprechen, da viele sie begrüßen wollen.

Als wir dann endlich Michael Verhoeven "ergattern", begrüßt er uns freundlich, setzt sich mit uns an einen Tisch und wir können mit dem Interview beginnen. Wir stellen uns vor und geben ihm unseren Flyer, den er mit interessiertem Blick und Zustimmung einsteckt. Wir müssen ihm erstmal erklären, dass die Generationsfilme alle im Haus der Kulturen der Welt auf der großer Leinwand kommen. Er erzählt uns, dass er "Berlinale goes Kiez" garnicht nicht unterstützen kann, da die Kiezkinos von der Berlinale ausgewählt werden und er sich nur freuen kann und auch freut, dass er mit dem Kino Toni ein Teil dessen sein kann. Begeistert erzählt er uns von der Geschichte des "Tonis".
Nach ein paar Minuten werden wir unterbrochen, weil die Darsteller und die Regisseurin von "Satellite Boy" kommen. Michael Verhoeven begrüßt Catriona McKenzie, die Regisseurin und stellt uns gleich als "two very young journalists" vor.

Wir wollten gerade mit dem Interview fortfahren, da spricht jemand Michael Verhoeven an, doch er sagt, er habe jetzt ein wichtiges Interview, was uns sehr gefreut hat.
Stolz erzählt er, dass das Kino Toni schon zum vierten Mal als Kiezkino ausgewählt wurde und dass letztes Jahr der Generation Film "Die Kinder vom Napf" lief, bei dem die Erwachsenen im Kino den Kindern das Schweizer Deutsch übersetzt haben.
Auf die Auswahl der Filme hat er keinen Einfluss und darf nicht einmal die Filme vorher gucken, dadurch freut er sich aber um so mehr, wenn er dann die Filme auf der großen Leinwand im Kino Toni sehen kann. Er möchte erreichen, dass die Leute, die in der Nähe des Kinos wohnen, dieses Angebot begeistert wahrnehmen, was sie auch schon tun. Er schildert uns noch seine Erinnerungen an die Anfänge der Berlinale, die damals im Sommer stattfand.

Nach ein paar Fotos geht es zurück ins HKW zum nächsten Film.
Klara Hirseland

Ein(-)Blick hinter die Kulissen



Im Interview mit Florian Fomm.

Generation Reporter: Also Florian, was genau ist Ihre Aufgabe bei der Berlinale?

Florian: Ich muss dafür sorgen, dass der Einlass gut funktioniert, dass die Filmteams rechtzeitig da sind, dass alle in den Film reinkommen, dass genug Plätze da sind und nicht plötzlich 1000 Leute mit Ticket da stehen und keine Plätze mehr übrig sind. Generell bin ich also dafür da, dass alles reibungslos abläuft, damit alle zufrieden sind.

GR: Wie lange arbeiten Sie denn schon bei der Berlinale?

Florian: Also ich war letztes Mal zum ersten Mal dabei.

GR: Und wie sind Sie zu Ihrem Job gekommen?

Florian: Ich war davor für ein halbes Jahr Praktikant bei der Berlinale und danach durfte ich diesem Posten übernehmen.

GR: Wenn das Festival vorbei ist, arbeiten Sie dann auch für die Berlinale?

Florian: Seit diesem Jahr nicht. Davor hatte ich hier das Praktikum, aber nun bin ich wirklich nur für diese 10 Tage hier beschäftigt.

GR: Hatten Sie denn vor Ihrem Praktikum schon einmal die Berlinale besucht?

Florian: Nein, gar nicht. Letztes Jahr war mein erstes Jahr.

GR: Und wie sind Sie denn dann zu Ihrem Praktikumsplatz gekommen?

Florian: Ich war Student in Leipzig und da ich mich sehr für Film interessiere, habe ich mich bei der Berlinale beworben und das hat glücklicherweise geklappt.


GR: Macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?

Florian: Ja total! Ich finde es richtig toll, diese Filmteams aus der ganzen Welt zu treffen. Ich genieße das richtig.

GR: Können Sie denn sagen, was Ihnen an Ihrer Arbeit hier am meisten gefällt?

Florian: Zu sehen, wie diese jungen Regisseure, die meistens gerade ihren ersten Film gedreht haben, sich total freuen, dass 1000 Leute ihren Film anschauen. Wie sie es gar nicht fassen können, dass sie hier sozusagen die neuen Stars sind.

GR: Und haben Sie auch während der Berlinale Zeit noch Filme zu gucken?

Florian: Ja. Das gehört sogar zu meinem Job dazu. Dass immer jemand im Film drin ist, falls irgendetwas passiert. Mit dem Bild zum Beispiel. Dann müssen wir auch am Start sein, damit alles wieder rund läuft.

GR: Was war denn dann gestern Bei „Capturing Dad“ los, als der Ton plötzlich nicht mehr richtig funktionierte?

Florian: Es gibt wohl ein bisschen Probleme mit dem Ton. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass viele Filme heute nicht mehr mit Projektoren gezeigt werden, also nicht mit diesen großen Rollen, sondern mit Festplatten und daran muss man sich eben gewöhnen. Deswegen gibt’s da Probleme mit dem Ton, weil es immer andere Formate gibt und auch noch Leitungen umgestöpselt werden müssen. Aber es wird schon besser.

GR: Und heute Vormittag, als das Licht plötzlich ausging? Waren das auch technische Probleme?

Florian: Also das mit dem Licht ist dann tatsächlich – aber das darf auch passieren – menschliches Versagen, wenn jemand vergisst, das Knöpfchen zu drücken.

GR: Und ist Ihnen schoneinmal etwas total Unglaubliches bei der Berlinale passiert?

Florian: Unglaublich ist, dass 99% der Besucher wahnsinnig lieb sind. Aber es gibt 1%, die sich dann immer richtig dreist noch in den Film drängen wollen. Dann wird man auch schonmal zur Seite geschuppst oder sowas. Da kann man sich dann natürlich nicht wehren. Solche Sachen passieren manchmal. Aber bemerkenswert sind wirklich diese 99% der Besucher, die sehr nett sind.

GR: Dann vielen, vielen Dank für das Interview, Florian!

Sarah Gosten

Als Ticketverkäuferin und Securityman bei der Berlinale


Ein Interview mit Jonathan Germann und Julia Gumpert, ohne die das Ganze hier gar nicht funktionieren würde.

Nun, da das Foyer menschenleer ist, weil alle Zuschauer gerade Shopping gucken, haben wir Zeit in Ruhe einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Zunächst interviewen wir Jonathan Germann, der die wichtige Aufgabe besitzt, das Absperrband zu entfernen, das die Meute davon abhält nach oben in den Saal zu stürmen, und danach Julia Gumpert, eine Ticketverkäuferin. (Der Einfachheit halber, haben wir die beiden Interviews zusammengefasst.)

Generation Reporter: Ist das Ihr erstes Mal, das Sie bei der Berlinale tätig sind oder waren Sie schon öfter dabei?

Jonathan: Ja, das ist mein erstes Mal hier, deswegen war ich anfangs etwas aufgeregt, aber inzwischen ist das hier zur Routine geworden.
Julia: Nein. Ich war auch letztes Mal schon dabei.

GR: Wie sind Sie denn zu dieser Arbeit hier gekommen?

Julia: Über Freunde. Die haben mir das organisiert.

GR: Was genau ist denn eigentlich Ihre Tätigkeit?

Julia: Im Grunde muss ich nur vor Beginn des Films Tickets verkaufen. Während der Filme habe ich dann Pause.
Jonathan: Um die Massen zu bändigen, die alle ins Kino strömen, gibt es ein Absperrband. Ich habe die Ehre, den Poller, an dem das Band befestigt ist, wegzustellen, um die Zuschauer einzulassen.


GR: Durften Sie denn in diesem Jahr schon einen Film gucken?

Julia: Ja, ich schon. Das hat mir auch sehr gut gefallen.
Jonathan: Bisher leider noch nicht, aber vielleicht rotieren wir im Laufe der nächsten Tage noch in den Positionen. Dadurch kriege ich vielleicht die Chance, im Kinosaal aufzupassen. Mit dieser Aufgabe darf man dann auch den Film ansehen.

GR: Was machen Sie denn dann, wenn der Einlass vorbei ist und nichts mehr zu tun ist, wenn Sie schon nicht den Film ansehen dürfen?

Jonathan: Also meistens haben wir Pause, aber eigentlich ist das auf die Dauer ziemlich langweilig.

GR: Wie gefällt Ihnen generell die Berlinale bis jetzt?

Julia: Sehr gut. Es macht viel Spaß.
Jonathan: Also am Anfang war es noch sehr aufregend mit den ganzen vielen Regisseuren und Schauspielern, die man sieht, doch mit der Zeit wird das allmählich zur Routine.

GR: Wo wir schonmal bei diesem Thema sind: Wie ist es denn eigentlich solch berühmte Leute zu treffen?

Jonathan: Also um ehrlich zu sein: Die meisten sind nicht wirklich bekannt in Deutschland und selbst solch berühmte Schauspieler wie Isabella Rossellini sieht man nur kurz im Vorbeigehen.
Julia: Ich interessiere mich nicht so für Stars, daher finde ich das nicht so beeindruckend.

GR: Vielen Dank für das Interview!
Sarah Gosten

Blau-Schwarz-Weiß?

Florian in Anzug und mit weißen Turnschuhen - ein Bild, das zweifelsfrei zur Berlinale gehört. Entsprechend befremdete uns daher, dass Florian bei den beiden Eröffnungsfilmen am Freitag mit blauen Schuhen aufkreuzte. Und auch heute erscheint er mit schwarzen Schuhen im Haus der Kulturen der Welt (HKW), dabei steht für mich fest: Schwarz ist doch noch weniger Weiß als Blau!
Aber was sagt der Betroffene selbst zu dem Thema? "Ich kann ja nicht jeden Tag dieselben Schuhe tragen", erklärt er uns mit halb ernster, halb belustigter Miene. "Außerdem passen die Schuhe ja nicht zu jedem Anzug, also dachte ich, die blauen passen ganz gut, vor allem da die anderen ja altweiß sind, und das wäre vielleicht nicht so angebracht."
Das finden wir nicht, zumindest solange nicht, bis sich Florian mit seinen weißen Turnschuhe im HKW präsentiert hat.
Johanna Gosten

Bühnengespräch mit den Darstellern und dem Regisseur von "Zickzackkind"


Es dauert lange bis der Applaus abebbt und Florian sich endlich den Schauspielern und dem Regisseur von „Zickzackkind“ zuwenden kann, um sie ein klein wenig vor dem gesamten Publikum zu interviewen.

Der Starschauspielerin Isabella Rossellini - die übrigens auch die Ehre hatte, die Berlinale in der Sektion Generation Kplus zu eröffnen - gilt die erste Frage. Sie habe den Film heute zum ersten Mal auf so einer großen Leinwand gesehen, erzählt sie, und das sei natürlich ein toller Moment. Zuvor habe sie ihn in voller Länge nur auf ihrem kleinen Bildschirm zuhause angeschaut, aber eigentlich sei Zickzackkind ein Film, den man unbedingt auf der großen Leinwand sehen solle.

Florian ist so gefesselt von ihren Worten, dass er anfangs ganz vergisst das Englische ins Deutsche zu übersetzen. Nachdem er dies schnell nachholt, stellt er nun dem jungen Hauptdarsteller Thomas Simon die Frage, was denn die aufregendste Szene für ihn war. „Die spannendste Szene war die auf dem Dach“, berichtet der Junge, „aber natürlich war sie nicht gefährlich.“

Burghart Klaussner, ebenfalls ein berühmter Schauspieler, spricht schon von der Rolle seines Lebens und Jessica Zeylmaker, deren Charakter im Film ziemlich viel singt, enthüllt, dass sie eigentlich Angst davor hat.

Der Regisseur Vincent Bal berichtet unter Gelächter des Publikums, wie er dazu kam das Buch „Zickzackkind“ zu verfilmen. Er habe es im Flugzeug auf dem Weg zu einem Filmfestival gelesen und er sei von der Stimmung, den Charakteren, den Schauplätzen und generell der Handlung begeistert gewesen. Gerade hatte er die Stelle mit dem Schokoladentopf gelesen und musste so sehr lachen, dass ihm die Tränen kamen, als im selben Augenblick eine Stewardess vorbeikam und ihn gefragt hatte, ob er noch irgendwas trinken wolle. Er hatte nur lachend abwinken können und gemeint, dass es ihm gut ginge und er nichts brauche.
Nun, da das Thema schon einmal angeschnitten ist, will Florian noch mehr über den Schokoladentopf wissen. Wir erfahren, dass der große Topf wirklich voll von echter Schokolade gewesen war, was natürlich sehr viel gekostet hatte: 10.000€! Die Schokolade hatten sie danach wieder zurück zum Hersteller geschickt und was dort dann mit der vielen Schokolade geschehen war, wissen sie bis heute nicht.

Mit diesen Worten erklärt Florian das Gespräch für beendet und die Zuschauer tröpfeln nun langsam aus dem Saal. Einige singen leise „Whatever Lola wants...“ vor sich hin oder unterhalten sich laut lachend über die lustigsten Stellen vom Film.

Während wir unten auf den nächsten Film warten, laufen wir zufälligerweise dem jungen Hauptdarsteller Thomas Simon über den Weg. Spontan entschließen wir uns, ihm noch ein paar Fragen zu stellen. Man merkt dem inzwischen 15-jährigen Jungen an, dass das sein erster Film ist, da er noch etwas unbeholfen wirkt und manchmal nicht ganz weiß, was er antworten soll und –wahrscheinlich typisch für einen Jungen seines Alters – er nicht gerade dazu neigt, lange und ausführliche Antworten zu geben, sondern es meistens bei ein, zwei Worten belässt.
Als der Film gedreht wurde, war er gerademal 13 gewesen, erzählt er. Die Dreharbeiten hatten ihm sehr viel Spaß gemacht und er würde gerne noch einen Film drehen. Es hatte kein Casting gegeben, berichtet er, allerdings scheint er uns auch nicht mitteilen zu wollen, wie er denn dann ausgewählt worden ist. Er ist zum ersten Mal in Berlin und kann leider nur zwei Tage bleiben. Bisher hat er leider noch nicht viel von der Stadt gesehen, aber er hofft, dass sich das in den nächsten zwei Tagen noch ändert. Wir wünschen ihm noch viel Spaß in Berlin und machen uns dann auf zum nächsten Film.
Sarah Gosten

Let the Generation begin!

Eigentlich beginnt es ja schon Wochen vorher, dieses Gefühl der Aufregung im Bauch. Und zwar, wenn man das erste Berlinale-Plakat entdeckt. Mit jedem Tag rückt man der Berlinale näher und damit steigert sich auch dieses Gefühl gespannter, freudiger Erwartung. Es wird zu einem Kribbeln, einem Gemisch aus dem Kribbeln, wenn man vor einer wichtigen Prüfung aufgeregt und nervös ist, und dem, wenn man sich verliebt hat und diese Person wiedersieht. Echte Berlinalefans wissen wahrscheinlich, wovon ich rede, auch wenn es wirklich unheimlich schwierig ist, dieses Gefühl zu beschreiben.
Ich zu meinem Teil werde immer merkwürdig flatterhaft, wenn ich in dieser lange Schlange im HKW stehe, mit dem Wissen, dass in wenigen Minuten das beginnen wird, worauf man irgendwie ein ganzes Jahr gewartet hat. Ein kleiner Adrenalinschub, wenn dann die Treppe zum Stürmen freigegeben wird. Dann der Drang, möglichst gute Plätze zu bekommen. Das alles geschieht in einer merkwürdigen Mischung aus Zeitlupe und Zeitraffer. Wie gesagt, ich denke, um das zu verstehen, muss man es einmal erlebt haben.
Jedes Jahr wechsele ich einen freudig-aufgeregten-wissenden-amüsierten Blick, wenn Maryanne mit ihrer süßen Art, die "Berlinali" auszusprechen, und Florian in Anzug und mit diesen gleißend weißen Turnschuhen die Bühne betreten und sich mindestens genauso über den Beginn der Berlinale freuen wie wir.
Und wenn sich dann nach einigen Momenten voller Spannung und ein paar Reden der Vorhang für den ersten Film öffnet, dann löst sich irgendetwas in mir. Während ich den Vorspann sehe, der mir mittlerweile schon so vertraut ist, dann löst sich dieses Kribbeln im Bauch bis auf einen winzigen Teil und ich genieße den Film und die gesamte Atmosphäre der Berlinale, lasse sie auf mich wirken und freue mich wie ein goldbeladenes Honigkuchenpferd über die Berlinale und auf die kommenden Tage. Und genauso ist es auch heute.

Johanna Gosten

Die rückwertige Entwicklung der Berlinale-Taschen

Pünktlich zum Beginn des Festivals gibt es nun natürlich auch wieder die aktuelle Berlinale-Tasche im Handel zu erwerben. Da das Aussehen der Berlinale-Taschen in jedem Jahr eifrig umstritten ist, möchte nun auch ich näher auf die Entwicklung dieser ominösen Taschen eingehen.

Beginnen wir also vor 4 Jahren.

Die Tasche der 59. Berlinale entsprach vom Motiv her dem Plakat dieser Berlinale, also der weißen Aufschrift „Berliiiiiiiiiiiiiiiiinale“ auf rotem Grund, wobei die vielen „i“s vermutlich die Zuschauer darstellen sollen. Die Umhängetasche bestand aus einem angenehmen Stoff, sie war leicht und es passte einiges rein. Bei den Zuschauern schien sie auf positive Resonanz gestoßen zu sein. Ich selbst fand die Tasche in diesem Jahr schön, daher kaufte ich sie mir. Sie ist bis jetzt noch ganz und wird auch immer wieder mit Freude von mir verwendet.


Im folgenden Jahr entsprach das Motiv der Tasche wieder dem Plakat der Berlinale dieses Jahres. Ich fand die Idee dieses Plakats gut. Es war eine Jubiläumsberlinale (die 60. Berlinale), daher wurde ein Plakate entworfen, auf denen die Namen aller Filme, die jemals auf der Berlinale liefen, standen. Gehalten war das Ganze in den Farben Grün und Lila. Das Motiv fand ich sehr schön. Leider bestand die Berlinale-Tasche selber aber aus einem plastikartigen Stoff, den ich nicht so sehr mochte. Trotzdem muss ich zugeben, dass dieser Stoff die Tasche sehr robust macht, wodurch sie wahrscheinlich einiges aushält.

Im Jahr 2011 zur 61. Berlinale gab es ein sehr buntes Plakat, wodurch ich sehr gespannt war, wie die Berlinale-Tasche dazu wohl aussehen würde. Leider übernahmen sie in diesem Jahr nicht das Motiv des Plakats. Im Gegensatz dazu war die Tasche eher ziemlich schlicht gehalten: dunkelblau mit dem Berlinalebären vorne drauf, in roter Schrift der Slogan der 61. Berlinale daneben. Ich bekam sie kostenlos, da ich am Projekt der „Jungen Journalisten“ teilgenommen hatte. Obwohl ich am Anfang etwas enttäuscht war – ich hatte sie mir viel bunter vorgestellt - habe ich sie dennoch zu schätzen gelernt. Der Stoff ist derselbe wie der der 59. Berlinale. Alles in allem also eine praktische Umhängetasche. Leider musste ich feststellen, dass die Qualität dieses Stoffes nicht sonderlich hoch gewesen sein kann, da er nach einiger Zeit schon innen aufgerissen ist.

Im letzten Jahr erreichte das Motiv der Berlinale-Taschen meiner Meinung nach den Tiefpunkt. Das war keine Tasche! Vielmehr war es ein roter Beutel, der vorne aufgenäht das Logo der 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin hatte. Noch dazu waren die Trageriemen so lang, dass der Beutel einem in die Kniekehlen schlug, was äußerst unbequem war.

Der Beutel der diesjährigen Berlinale ist schwarz mit dem weißen Berlinalebären vorne drauf. Sozusagen eine etwas verbesserte Variante zum Vorjahr. Doch wie Petra Gute vom RBB gestern ganz richtig feststellte: Da ist durchaus noch Luft nach oben!

Sarah Gosten

Jin

Titel: Jin
Regie: Reha Erdem
Türkei 2012 ○ 122 Min.
Türkisch/Kurdisch ○ englische Untertitel

Eröffnungsfilm

Kamera: Florent Herry
Schnitt: Reha Erdem
Musik: Hildur Gudnadottir
Produzent: Ömer Atay
mit: Deniz Hasgüler, Onur Ünsal

Fr. 08.02. 19:30 Uhr
Haus der Kulturen der Welt 1
Sa. 09.02. 16:30 Uhr
CinemaxX 3
Sa. 10.02. 15:30 Uhr
Cubix 8
Do. 14.02. 14:00 Uhr
CinemaxX 3

Inhalt
Sie haben meinen Vater abgeholt, als ich gerade zwei war. Er hatte nicht mal eine Waffe. Er kam nie zurück.
Sie nennt sich Leyla. Eigentlich ist ihr Name Jîn, doch den verrät sie nur wenigen. Immer ist sie auf der Flucht. Von den kurdischen Rebellen in den Bergen hat sie sich abgesetzt. Jetzt zieht sie allein durch die überwältigenden Berglandschaften, auf dem Weg zu einer fernen Großmutter, wo sie sicher sein könnte. Überall lauern Soldaten, drohen Gewehrfeuer und Explosionen. Und Männer, gegen die sie als junge Frau ohne Familie fast schutzlos ist. Doch ihr Mut ist ungebrochen und die Natur ihr größter Beschützer.

Content
They took my father away when I was just two. He didn‘t even have a gun. He never returned.
She calls herself Leyla. Her real name is actually Jîn, but she only reveals that to a few people. She‘s on the run now she‘s broken away from the other Kurdish rebels in the mountains. Now Jîn wanders alone across the breathtaking mountain landscape, heading for a distant grandmother who might be able to off er her a safe refuge. Soldiers are lurking at every turn, and the sound of gunfi re and explosions fi lls the air – and men too, against whom she is practically defenceless as a young woman without a family. But her courage is undaunted, and nature is her greatest protector.


08.02.2013, Johanna Gosten
Auch wenn ich mir noch immer nicht sicher bin, was ich von diesem Film halten soll, denke ich doch, dass Jin der perfekte Auftakt zur diesjährigen Berlinale war. Die Mischung aus ruhiger Nachdenklichkeit, erschreckenden und schockierenden Szenen und ergreifenden Momenten - kurz gesagt alles, was ein typischer Berlinalefilm braucht.

Über ein ganzes Jahr lang kann man schon mal vergessen, wie furchtbar und realitätsnah einige der Filme dort sind, selbst solche aus der Sektion Generation. Jin hat mir jedoch mit gnadenloser Wucht gezeigt, worum es bei der Berlinale eigentlich geht - einen Einblick in das Leben anderer Kinder oder Jugendliche zu bekommen. In den ersten Minuten dachte ich, es könnte ein sehr langatmiger Film werden, aber schnell wurde ich vom Gegenteil überzeugt, nämlich bei der ersten Schießerei. Ich bin regelrecht zusammengezuckt. Trotzdem muss ich sagen, dass der Film so einige Längen hatte, vor allem auch da sich der Ablauf teilweise wiederholte. Sie lief durch die Natur, es passierte etwas Schreckliches, eine Schießerei, dann wieder Natur...

Ich bin aber der Meinung, dass die Filmemacher diesen kleinen Makel sehr gut überdecken konnten. Die leichte Langeweile, die entstehen könnte, wird durch passende Musik und eine wirklich außergewöhnliche Schauspielerin in eine nahezu elektrisierende Spannung umgewandelt. Es gibt zwar einen gewissen Kreislauf, aber dennoch weiß man nie genau, in welcher Abfolge die drei eben genannten Dinge eintreten. Zwischendurch habe ich mich immer wieder dabei ertappt, wie ich mit Jin mitfieberte und sie auch vielfach bewunderte, für ihren Mut und ihre unerschöpfliche Großherzigkeit. Es hat mich doch teilweise überrascht, wie oft sie anderen Lebewesen und auch Menschen half, auch wenn sie selbst überhaupt keine Hilfe erhielt.

Jin wird mir sehr wahrscheinlich noch eine Zeit lang schwer und auch quer im Magen liegen, denn es geschieht eigentlich automatisch, dass man über das Thema nachdenkt, bemerkt, wie gut man selbst es eigentlich hat, und den Drang verspürt, diesen Menschen zu helfen, aber man weiß auch, dass das praktisch nicht möglich ist. Ich finde es ziemlich mutig von den Filmemachern, einen solchen Film zu drehen, denn es besteht ja auch immer die Gefahr, dass das Thema falsch aufgegriffen wird, bzw. die Botschaft missverstanden wird.

Sarah Gosten
Wow. Das muss man erstmal sacken lassen. Getäuscht von den vielen idyllischen und ruhigen Landschaftsaufnahmen zu Beginn des Films, in denen ich mir schon gut vorstellen kann, dass er eventuell etwas langweilig werden könnte, werde ich schon bald eines besseren belehrt, als plötzlich Schusswaffen und Bomben ertönen. Neben mir spüre ich auch die anderen Kinobesucher im Saal zusammenzucken.

Nach dieser Schrecksekunde wendet sich der Film nun der Hauptdarstellerin zu, die wir auf ihrem Weg den ganzen Film über verfolgen. In vielen ruhigen Landschaftsszenen – immer wieder durchbrochen von den lautstarken Gewehren – werden wir mitgenommen in eine Welt, die wir uns kaum vorstellen können. Eine Welt, in der Krieg herrscht und in der Jin – ohne Pass und als alleinreisende junge Frau ohne Familie oder sonstige Angehörige - in ständiger tödlicher Gefahr lebt. Mit deprimierender Klarheit verdeutlicht der Film genau diese aussichtslose Situation und dafür werden nicht einmal viele Worte gebraucht. Alles in allem ist der Film wirklich extrem still, doch mich hat das nicht gestört. Es war irgendwie passend.

Einige meinten nachher, dass sie die vielen Landschaftsszenen als eintönig und etwas langweilig empfanden, doch ich muss sagen, dass mich das komischerweise überhaupt kein einziges Mal gestört hat. Der Film hat mich so gefesselt, dass es mir gar nicht vorkam, als ob der Film so viele Längen hätte.

Als Berlinale-Auftakt war der Film sicherlich ein Schocker, doch genau solche Filme machen die Berlinale doch aus. Und eins ist klar: Über diesen Film kann man sicherlich noch sehr lange nachdenken.


Charlotte Hochegger
"Jin" ist ein Film, der mich sehr beeindruckt hat. Noch lange nachdem er vorbei war, habe ich darüber gegrübelt. Ich weiß gar nicht über was genau, aber das Thema hat mich so beschäftigt, dass ich nicht aufhören konnte, die Bilder wieder und wieder an mir vorbeiziehen zu lassen. Der Film behandelt sein Subjekt so, dass man es nicht so leicht wieder vergisst. Ruhige Bilder einer wunderschönen Landschaft, Schrecksekunden voller Getöse, Schrecksekunden des Mitfieberns mit Jin, dann wieder Landschaft.

Von der Machart ist der Film sehr realistisch bis auf einige Ausrutscher in Form von Allegorien. Daher kann es auch durchaus ziemlich schmerzhaft sein, mitansehen zu müssen, was dort geschieht. "Jin" ruft uns ein Thema in Erinnerung, von dem wir eigentlich schon einmal etwas gehört haben, es aber wieder verdrängt haben. Der Film hat mir ziemlich gut gefallen, wobei "gut" vielleicht auch das falsche Wort ist, denn ich bin mit einem blauen Fleck in der Magengrube nachhause gegangen.

Einzig und allein das Ende hätte meiner Meinung nach nicht unbedingt gezeigt werden müssen, da sowieso jeder Zuschauer wusste, wie ausweglos die Situation war und geahnt hat, was mit Jin letztendlich passieren würde. Dies trübt meinen Eindruck des Films jedoch wenig: Er ist auf jeden Fall sehenswert!

Princess Rojas

Titel: Princess Rojas
Regie: Laura Astorga Carrera
Costa Rica, Venezuela 2013 ○ 100 Min.
Spanisch ○ englische Untertitel

Drehbuch: Laura Astorga Carrera, Daniela Goggi
Kamera: Julio Constantini
Schnitt: Daniel Prync, César Custodio, Ariel Escalante, Sergio Marcano
Musik: Lester Paredes
Produzenten: Laura Astorga Carrera, Aldrina Valenzuela Rojas, Marcela Esquivel Jiménez
mit: Valeria Conejo, Aura Dinarte, Fernando Bolanos, Carol Sanabria

Mo. 11.02. 15:00 Uhr
Haus der Kulturen der Welt 1
Di. 12.02. 17:30 Uhr
Cubix 8
Mi. 13.02. 11:30 Uhr
CinemaxX 3
Sa. 16.02. 16:30 Uhr
CinemaxX 3

Inhalt
Ja, meine Mutter ist weg, meine Eltern leben getrennt. – Ein anderer Mann? – Ein anderes Land.
Claudias Eltern sind politische Aktivisten. Aus Nicaragua fl ieht die Familie nach Costa Rica. Auch hier bleibt ein normales Familienleben auf der Strecke. Zum Glück halten Claudia und ihre jüngere Schwester stets zusammen, wenn die Eltern sich neue Pässe drucken, die Koffer ins Auto werfen und wieder einmal alles nicht so bleibt, wie es gerade war. Um endlich Halt unter den Füßen zu spüren, muss das Leben auf der Flucht ein Ende haben. Claudia hätte gar nichts dagegen, mal für eine Weile ganz normal zur Schule zu gehen.

Content
Yes, my mother left, my parents are separated. – Another man? – Another country
Claudia‘s parents are political activists. The family flees Nicaragua and moves to Costa Rica. But there‘s little hope of a normal family life there, either. Luckily, Claudia and her younger sister always stick together when their parents get new passports printed and toss the suitcases into the car – and once again their world gets turned upside down. They have to stop running from place to place if there is to be any hope of fi nally getting a fi rm foothold in life. Claudia certainly wouldn‘t mind just going to school for a time, like any normal child.


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Um Fim Do Mundo

Titel: Um Fim Do Mundo
Regie: Pedro Pinho
Portugal 2013 ○ 62 Min.
Portugiesisch ○ englische Untertitel

Kamera: Vasco Viana, Pedro Pinho
Schnitt: Luisa Homern
Produzenten: Filipa Reis, Leonor Noivo
mit: Eva Santos, Iara Teixeira, Indalécio Gomes, Manuel Gomes


Di. 12.02. 17:30 Uhr
Haus der Kulturen der Welt 1
Do. 14.02. 16:30 Uhr
CinemaxX 3
So. 17.02. 20:00 Uhr
Haus der Kulturen der Welt 1

Inhalt
Die haben eine ganze Tasche voller Klamotten geklaut. Die suchen nur nach Ärger …
Ein Tag im Leben von ein paar Jugendlichen in einem Neubauviertel irgendwo vor Lissabon.
Die Schule ist ein Witz. Arbeit gibt es sowieso nicht. Zwei Mädchen wollen sich amüsieren und ziehen mit zwei Jungs zum Strand. Die Mädchen sonnen sich, die Jungs machen Arschbomben ins Meer. Als der Rest der Gruppe dazukommt, gibt es Streit. Abends versucht man, am Türsteher vorbeizukommen oder hängt am Autoscooter ab. Ziele sind nicht so wichtig. Nur die Momente zählen, Gesten und die Spannung, wenn Blicke sich begegnen.

Content
They stole a huge bag of clothes. Just looking for trouble …
One day in the life of a couple of teenagers in the suburbs somewhere near Lisbon. School i a joke, but there are no jobs anyway. Two girls want to have some fun, so they go to the beach with a couple of boys. The girls sunbathe while the boys do dive-bombs into the water. When the rest of the group arrives, a fi ght breaks out. They spend their evenings trying to sneak past doormen or hanging out at the bumper-car stand. They‘re not much bothered about having a goal: All that counts are moments, gestures, and the electricity when their eyes meet.



13.02.2013, Sarah Gosten

Um Fim Do Mundo ist ein sehr kurzer Film – seine Laufzeit beträgt gerademal 62 Minuten(!)-, der von dem Leben der Jugendlichen in einem berühmt- berüchtigten Vorort der Stadt Lissabon handelt. An sich klingt das gar nicht mal so schlecht, doch leider hat mir die Umsetzung nicht gut gefallen.

Auch wenn der Film nur so kurz war, hat er es nicht geschafft eine Spannung aufzubauen. Mir fehlte einfach der rote Faden, ich wusste nicht, worauf das Ganze hinauslaufen sollte. Zwar wurde die Stimmung der Jugendlichen recht gut verdeutlicht, da die schauspielerische Leistung der Darsteller nicht schlecht war, doch es hat mich weder begeistert noch berührt. Tatsächlich wusste ich bis zum Schluss nicht, was der Regisseur mit diesem Film vermitteln wollte. Als er kurz darauf im Publikumsgespräch von einer Frau gefragt wurde, was denn genau die Botschaft des Films sei, wusste er selbst keine Antwort, da er offensichtlich nicht geplant hatte, eine Message rüberzubringen. Als ich das gehört habe, war ich ernsthaft etwas irritiert, denn warum dreht man einen Film, wenn man gar nichts vermitteln möchte?

13.02.2013, Johanna Gosten
Meine Begeisterung für diesen Film hält sich wirklich in Grenzen. Ich dachte nach dem Film nur "was soll ich jetzt damit?". Denn es wurde nicht wirklich eine erkennbare Botschaft übermittelt. Wenn ich das im Publikumsgespräch richtig mitbekommen habe, dann wollte der Regisseur auch einfach nur einen Film über sein Kiez und die jungen Leute dort drehen, ohne eine spezielle Handlung. Insofern hat er sein Ziel auch erreicht, denn man saß etwas über 60 Minuten im Kino und hat portugiesische Jugendliche für einen Tag begleitet, ihnen ein wenig beim Spaßhaben und Streiten zugesehen, dann fielen die Vorhänge wieder zu.
Die Sache ist nur, dass man das auch hier auf der Straße kann, oder als Jugendlicher gerade selbst erlebt. Von daher bringt es einem nicht so viel, da ja noch nicht mal eine Lösung, bzw. eine Botschaft dahintersteckt.

Für mich war es vielleicht noch ganz interessant, Jugendliche aus einem anderen Land zu beobachten, aber insgesamt war es geradezu eine Zeitverschwendung, auch wenn es sich nur um eine Stunde handelte. Wer auf der Suche nach etwas Hilfe, einem Leitfaden in der Pubertät ist, der ist hier definitiv falsch. Wer sich allerdings in einem leicht rebellischen Verhalten als Teenager bestätigt sehen möchte, der sollte ruhig mal hineinschauen.