Mit der Guest-Managerin im Gespräch


Nachdem wir die organisatorischen Schwierigkeiten in den Griff bekommen hatten - unsere Interviewpartnerin Marie-Christine Knop ist als Guest Managerin schwer beschäftigt -, hatten wir endlich einen Termin vereinbart. Am Samstag nach der 10 Uhr–Vorführung von Kopfüber fahren Johanna, Klara und ich zum Potsdamer Platz, um dort im dreieckigen Gebäude, in dem auch Generation sitzt, ein Interview mit der Guest Managerin zu führen. Wir begleiten Marie-Christine Knop in ihr – wie sie es selbst nennt – provisorisches Büro, das etwas unaufgeräumt wirkt und beginnen mit dem Interview. Sie ist noch sehr jung, daher dürfen wir sie duzen. Schnell bemerken wir, dass sie gerne ausführlich ihre Fragen beantwortet.

Generation Reporter: Wie lange machst du diesen Job schon?
Marie-Christine Knop: Dieses Jahr ist das fünfte Mal, sozusagen seit vier Jahren.

GR: Machst du diesen Job immer nur während der Berlinale?
M-C. K.: Also ich habe so einen ähnlichen Job auch schon einmal bei dem Jugendorchesterfestival und vorher auch schon bei einem Literatur-Festival gemacht. Da bin ich sozusagen reingestolpert und habe dann auf ganz niedriger Basis Rosen verteilt, den Gong geschlagen und Wassergläser auf die Bühne gestellt. An sich mache ich aber das Ganze nur zwei Wochen im Jahr.

GR: Wie bist du denn zu dem Job gekommen?
M-C. K.: Ich habe damals in Augsburg studiert und in München gewohnt und hatte dann die Idee, dass ich unbedingt einmal in Berlin wohnen möchte. Dann habe ich mich in Berlin um ein Praktikum beworben, bei dem Zebra Poesie Festival, das ich dann auch erhalten habe. Parallel dazu lief gerade das eben erwähnte Literatur-Festival. Sie haben noch Mitarbeiter gesucht und da habe ich mir gedacht, dass ich das eigentlich auch noch machen könnte. Dort hatte ich, wie bereits erwähnt, dann die Aufgabe Rosen zu verteilen usw. Meine ganz tolle Chefin dort hat auch für die Berlinale gearbeitet. Ich rief sie im Februar an und ich hatte ganz große Lust bei der Berlinale mitzuarbeiten – was man sicherlich verstehen kann. Das hat dann ziemlich spontan geklappt, was mich sehr gefreut hat.

GR: Was genau ist deine Aufgabe?
M-C. K.: Ich bin im Guest Management tätig. Ich bin immer am Flughafen von 9 – 21.00 Uhr, also 12 Stunden täglich. Wir sind dann sozusagen die erste Anlaufstelle, wenn man am Flughafen ankommt. Wir haben unseren eigenen Counter und kümmern uns dann darum, dass die Leute in Shuttle-Bussen in die Stadt gebracht werden. Wir nehmen sie in Empfang und holen sie manchmal auch von Gate ab mit einem Schild in der Hand und unterstützen auch andere Abholungen am Flughafen, wenn da mal ein Flug verspätet ist – das ist ja alles sehr eng getaktet – oder wenn viel mehr Gepäck kommt, als geplant ist. In solchen Situationen springen wir ein.

GR: Und wen konntest du dadurch alles schon treffen?
M-C. K.: Also natürlich laufen sehr viele vorbei. Das fängt bei Uwe Ochsenknecht an, der einfach nur fragt, ob er sich ein Programm mitnehmen kann, geht dann über Matt Damon weiter, bis hin zu Isabella Rossellini. Die kommen dann dort aus dem Gate raus, meistens sogar ganz normal mit den anderen Passagieren. Sobald sie draußen sind, müssen sie sich dann den ganzen Autogrammjägern stellen, die sie dann belagern.

GR: Hast du denn manchmal auch die Gelegenheit mit den Stars zu reden? Oder laufen die wirklich nur vorbei?
M-C. K.: Manchmal gibt es tatsächlich so eine Gelegenheit. Ich habe so einen Ausweis, dass ich die Leute direkt von Gepäckband abholen darf. Da kümmern wir uns dann natürlich ums Gepäck, aber da hatte ich tatsächlich die Möglichkeit mich mit Isabella Rossellini für 15 Minuten zu unterhalten, weil das Gepäck so lange gebraucht hat. Wenn so etwas passiert, kommt man dann schon mal dazu. Man würde die natürlich nicht zutexten und guckt zunächst, in welcher Stimmung sie sich befinden, dann fragt man, ob alles okay ist und ob man noch irgendetwas regeln muss.

GR: Worüber hast du denn mit Isabella Rossellini dann gesprochen?
M-C. K.: Wir haben über Berlin und über die Berlinale geredet und wie gerne sie hier ist. Dann fragte sie mich, was ich später einmal beruflich machen möchte und ob ich auch etwas mit Film machen möchte. Über solche Dinge haben wir gesprochen.

GR: Was gefällt dir am meisten an diesem Job?
M-C. K.: Generell liebe ich Festivals. Ich mag diese Stimmung, dass auf einmal alles so ein Mikrokosmos ist. Das geht euch vielleicht auch so. Außenrum passiert dann irgendwie nichts mehr. Man ist in diesem Festival und schaut Filme. Wenn man mit anderen Menschen spricht, die nicht an diesem Festival teilnehmen und zum Beispiel ins normale Kino gehen und einfach einen normalen Film gucken, dann kann ich das gar nicht verstehen. Das ist für mich völlig unbegreiflich. Also das mag ich wirklich sehr, sehr gerne an Festivals. Als zweites finde ich es toll, dass dann plötzlich alle am selben Strang ziehen.
Und außerdem bin ich ein kleiner Groupie. Ein Kollege von mir kennt die meistens gar nicht. Dann freue ich mich zum Beispiel total, dass Emma Stone vorbeikommt und er weiß gar nicht, wer das ist. Das kann ich dann gar nicht nachvollziehen. Also berühmte Leute zu sehen, mach mir auch total viel Spaß.

GR: Kriegst du denn auch manchmal Autogramme von den Stars?
M-C. K.: Nein, aber danach würde man auch nicht fragen. Die werden so von den ganzen Leuten, die alle Autogramme haben wollen, belagert. Da würde man so etwas nicht tun. Das wäre unpassend. Man behandelt die Stars als Guest Manager dann nicht auch noch so wie die vielen anderen Groupies, die alle nur auf ein Autogramm aus sind.

GR: Gibt es auch etwas, das dich an dem Job stört?
M-C. K.: Wenn man am zehnten Tag wieder 12 Stunden in Tegel oder Schönefeld sitzt. Das ist man einfach nicht gewöhnt und das ist dann auch echt anstrengend. Aber dass ich diesem Job schon zum fünften Mal mache, zeigt sicherlich, wie viel Spaß mir diese Arbeit hier bereitet.

GR: Gab es denn auch Highlights bisher?
M-C. K.: Also dass ich mich so lange mit Isabella Rossellini unterhalten konnte, war dieses Jahr wirklich toll, weil sie wahnsinnig nett war. Die erste Frage, die sie mir stellte, war: „How did you recognize me?“. Also total uneitel. Das fand ich total toll.
Es gab noch total viele andere Highlights in den letzten Jahren, die kann ich gar nicht alle aufzählen, nur auf eine Sache will ich noch näher drauf eingehen. In der ersten Berlinale hatte ich wahnsinnig viel Pech. Da saßen meine Gäste einfach nie im Flugzeug. Dann stehst du da mit dem Schild in der Hand am Gate, musst die abholen und du wartest und wartest und wartest. Irgendwann sagt dir das Security-Personal, dass das der letzte Passagier gewesen sei und dann wird es sehr anstrengend. Dann musst du das regeln und kommunizieren, ob sie vielleicht irgendwo hängen geblieben sind, ist der überhaupt gar nicht unterwegs und so weiter und so fort. Bei meiner ersten Berlinale als Guest Managerin hätte ich also auch fast einen berühmten Star abgeholt und er saß einfach nicht im Flugzeug. Dabei hatte ich mich schon so gefreut. Deswegen war es für mich dieses Jahr ein Highlight, dass wirklich alle meine Gäste im richtigen Flugzeug saßen.

GR: Hattest du denn dann diese Berlinale überhaupt schon die Zeit einen Film des Festivals anzugucken? Oder warst du einfach bisher zu beschäftigt?
M-C. K.: Also meisten sitze ich echt von 9.00 – 21.00 Uhr am Flughafen. Aber manchmal schaffen wir es dann abends in eine Vorstellung zu gehen, aber dann ist man echt schon ein bisschen kaputt. Es gibt aber für die Mitarbeiter in der Woche danach nochmal so Screenings. Da kann man dann die Filme nochmal sehen.

GR: Bist du eigentlich fest dabei? Also in dem Sinne, dass du nächstes Jahr wieder definitiv dabei bist.
M-C. K.: Also man wird schon gefragt, aber fest ist in der Kulturbranche alles nicht. Aber ich merke schon selber, dass es über die Jahre hinweg Sinn macht, wenn man sich auskennt. Man weiß, wie so ein Flughafen funktioniert. Man weiß, wo „Lost & Found“ ist. Man wird nämlich auch schonmal als Informationsschalte missbraucht. Es kommen einfach alle und fragen irgendetwas. Denen müssen wir dann immer mitteilen, dass wir keine Touristen-Informationsstelle sind. Da ist es schon gut, wenn die gleichen Leute das wieder machen. Man kriegt eine größere Gelassenheit, man hatte die meisten Fälle alle schonmal, man kennt teilweise das Flughafenpersonal. Deswegen ist es wirklich wahrscheinlich, dass man wieder gefragt wird.

GR: Vielen Dank für das Interview!

Sarah Gosten

Preisverleihung Kplus


Eine Auflistung aller Preise aus der Sektion Kplus.

Internationale Jury

Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Die Igel und die Stadt von Evalds Lacis (Lettland)

Hauptpreis von 2500€: Cheong von Kim Jung-in (Korea)

Die Igel und die Stadt
Cheong
Featurefilm

Lobende Erwähnung: Satellite Boy von Catriona McKenzie (Australien)

Hauptpreis von 7500€: Mama, ich lieb dich von Janis Nords (Lettland)


Satellite Boy
Mama, ich lieb dich
Kinderjury

Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Die Igel und die Stadt von Evalds Lacis(Lettland)

Gläserner Bär: Das Bersteinamulett von Matthew Moore (Australien)

Die Igel und die Stadt
Das Bersteinamulett

Featurefilm

Lobende Erwähnung: Satellite Boy von Catriona McKenzie (Australien)

Gläserner Bär: Die Rakete von Kim Mordaunt (Australien)

Satellite Boy
Die Rakete

16.02.2013, Sarah Gosten

Preisverleihung 14Plus


Eine Auflistung aller Preise von 14Plus.

Internationale Jury

Kurzfilm

Lobende Erwähnung: Barefoot von Danis Goulet (Kanada)

Hauptpreis von 2500€: The First Time von Anders Hazelius (Schweden)


Barefoot
The First Time
Featurefilm

Lobende Erwähnung: Baby Blues von Kasia Rostaniec (Polen)

Hauptpreis von 7500€: Shopping von Mark Albiston (Neuseeland)

Baby Blues
Shopping

Jugendjury

Kurfilm

Lobende Erwähnung: The Date von Jenni Toivoniemi (Finnland)

Gläserner Bär: Rabbitland von Nikola Majdak und Ana Nedeljkovic (Serbien)

The Date
Rabbitland


Featurefilm

Lobende Erwähnung: Pluto von Shin Su-won (Korea)

Gläserner Bär: Baby Blues von Kasia Rostaniec (Polen)

Pluto
Baby Blues



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Sarah Gosten

They came from a land down under...


12.02.2013, Mia



… and I was lucky enough to watch their deeply touching film “Satellite Boy” AND to make an interview with them afterwards.

Generation Reporter: How did you find the actors?
Catriona McKenzie (director): We drove thousands and thousands of kilometers around the Kimberley (Western Australia) - with fairly no budget. So we literally had to stop at the side of the road and just camped.
In Fitzroy Crossing we found Cameron. He was playing outside under a tree. And we said: “Come on, and come in auditioning.”  And then, that is the moment when I listen a lot to my body if he could do it: “Yes or no”. This was the beginning and then we found Joseph in Wyndham. He is a real good football player. And we put them together which was a great pair. That’s how we do it.
GR: How long did it take you to make the film?
Catriona (director): About six weeks of filming and about two weeks for cutting. But a lot of time to prepare it.

GR: How was filming for you?
Joseph (Kalmain): It was a pretty different experience, I guess. But I mean the crew were really good and they helped me through my acting a lot. And I really enjoyed it.
GR: Was it your first time filming?
Joseph (Kalmain): Yes, it was my first time.

GR: How was filming for you?
Cameron (Pete): Hard. Pretty hard.
GR: Did you walk through the bush on your own like in the film before?
Cameron (Pete): Yes, I did. ( Looking quite serious saying that.)

GR: Ok, thanks.

Wie funktioniert Blindenschrift auf Chinesisch? - Das Publikumsgespräch bei Touch of the Light

Es war ein unglaublicher Film gewesen. Nach Touch of the Light, als der Abspann begann, herrschte eine überwältigende Spannung im Saal. Keiner wagte es, diesen Moment durch ein Klatschen zu zerstören. Als das erste langsame Lied des Abspanns schließlich von einer aufgewühlten, fröhlichen und lustigen Melodie abgelöst wurde, entlud sich die gesamte Begeisterung in einem lautstarken Applaus, der auch Minuten nach Ende des Abspanns noch nicht verstummen wollte. Stattdessen standen viele Leute auf, um deren Entzückung noch klarer zu verdeutlichen. Als die Darsteller und Filmemacher auf die Bühne kamen, brandete erneut riesengroßer Applaus auf.
Der Regisseur, Chang Jung-Chi, war völlig überwältigt, wie gut der Film angekommen war. Auch der blinde Hauptdarsteller, Huang Yu-Siang, konnte die Begeisterung im Raum durch den langanhaltenden Applaus gut nachvollziehen und bedankte sich herzlich dafür, da das etwas war, was er wirklich fühlen konnte.
Nachdem der Applaus, der auf diese Worte hin erklang, verstummte, erklärte Florian das Publikumsgespräch für eröffnet.


Wie funktioniert Blindenschrift auf Chinesisch? In China gibt es doch mehr als 1000 Schriftzeichen.

Es gibt ein spezielles Gerät, das extra dafür gedacht ist, die Schriftzeichen wiederzuerkennen. Das macht es etwas einfacher. Aber auch wirklich nur etwas.

Zunächst einmal: toller Film! Ich habe mich gefragt, ob der Hauptdarsteller, Huang Yu-Siang, einige Dinge vorgeschlagen hat, wie zum Beispiel die Kameraführung, weil er selbst natürlich am besten weiß, wie sich das Leben als Blinder anfühlt. (Auf diese Worte hin rufen sie den Kameramann auf die Bühne - der wirklich eine unglaubliche Arbeit geleistet hat – damit er als Fachmann die Frage beantworten kann)

Zunächst einmal vielen Dank. Tut mir leid, ich bin ein bisschen schüchtern. So direkt hat er nichts vorgeschlagen. Aber ich denke, dass der Film von den Verbindungen zwischen den Menschen handelt und das habe ich auch versucht mit meiner Kameraführung darzustellen.

Ist der Effekt mit dem gleißend weißen Gegenlicht eingesetzt worden, um zu verdeutlichen, wie ein Blinder sich fühlt?

Genau. Huang Yu-Siang kann spüren, wenn sich die Umgebung um ihn herum ändert. Er weiß, wenn es dunkel oder hell ist, ob es schattig ist und ob das Licht gedimmt oder gleißend hell ist, ob es eher warm oder kalt ist. Das alles kann er sehen, deshalb habe ich diesen Effekt mit dem Gegenlicht eingesetzt, um das zu verdeutlichen.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den Film auf der großen Leinwand gesehen haben?

Also ich habe ihn jetzt schon mehrmals in ganzer Länge gesehen und muss sagen, dass er mir bei jedem Mal besser gefallen hat.

Huang Yu-Siang, haben Sie das als kleiner Junge wirklich erlebt, dass ein anderer Junge behauptet hat, Sie hätten den Wettbewerb nur gewonnen, weil sie blind sind?

Nein, das ist mir nicht wirklich passiert.

Wie nah ist der Film der Realität?

Da gibt es nicht wirklich viele Unterschiede zum wahren Leben auf dem Campus. Die Uni war der netteste Platz auf der Welt. Die Menschen dort waren alle sehr warmherzig und offen und beim Dreh war es genauso. Wenn jemand zum Beispiel begann Violine zu spielen, setzten die anderen nach und nach ein und improvisierten. Wir waren alle wie eine große Familie.

War das Mädchen wirklich deine Freundin?

Sie ist ein sehr, sehr nettes Mädchen, aber nein, sie ist wirklich nur eine gute Freundin.

Ich bin zusammen mit einem Mädchen aufgewachsen, das von Geburt an blind war, deswegen verstehe ich nun nach Jahren ungefähr, was Blinde durchmachen. Ich habe auch schon früher Filme über Blinde gesehen, die mich für gewöhnlich sehr geärgert haben, weil sie nicht annähernd erfasst haben, wie es den Blinden wirklich geht. Also wollte ich fragen, wie Sie es geschafft haben, diese Stimmung einzufangen.

Wir haben uns 2005 kennengelernt. Er war der erste Blinde, den ich jemals getroffen habe, daher war es eine ziemlich berührende Erfahrung. Wir sind zusammen ans Meer gefahren, damit er dort seine Erinnerungen noch einmal durchleben kann. Doch als wir dort ankamen, konnten wir nicht an den Strand, weil überall Felsen im Weg waren. Da habe ich zum ersten Mal wirklich bemerkt, wie schwierig es für jemanden sein muss, wenn er nicht sehen kann. Huang Yu-Siang hätte nämlich nicht so ohne weiteres über die Felsen klettern können. Alles benötigt viel mehr Zeit und Aufwand, wenn man blind ist. Wir unternahmen noch sehr viel Anderes zusammen, wo ich genau das immer wieder feststellen musste. Dieser Unterschied wurde mir durch unsere Treffen immer wieder vor Augen geführt. Daher hatte ich nach der Zeit ein ziemlich gutes Gespür dafür, wie er sich wohl fühlen muss.

Am Ende verkündete der Regisseur, dass wir Zuschauer noch einen kurzen Augenblick warten sollen, da Huang Yu-Siang noch etwas vorbereitet hat. Gespannt fragten wir uns, was das wohl sein könne. Huang Yu-Siang zog eine Karte aus seiner Tasche, hielt sie an seinen leicht geöffneten Mund und klopfte mit den Fingern einen Rhythmus. Tatsächlich schaffte er es, dabei sogar unterschiedliche Töne zu erzeugen. Das war ein Trick, der auch im Film vorgekommen war.
Die begeisterte Menge begann laut zu klatschen und zu johlen. Der Applaus verklang erst, als die Darsteller schon längst von der Bühne verschwunden waren.

Sarah Gosten

Interview mit der Regisseurin von Marussia


Als wir nach dem Film den Kinosaal verlassen, bildet sich schon eine lange Schlange vor den Tischen, an denen die Darsteller gleich Autogramme geben werden. Wir stellen uns an und nach mehreren Minuten fragen wir, als sie uns gerade ihre Autogramme geben, ob sie sich für fünf Minuten mit uns unterhalten könnten. Die Regisseurin stimmt lächelnd zu, doch die Hauptdarstellerin braucht ihre Ruhe und möchte uns lieber kein Interview geben.

Generation Reporter: Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Film?

Eva Pervolovici: Ich hatte Marussia kennengelernt, als sie gerade einmal vier Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie leider noch kein Französisch, doch trotzdem spielten wir häufig zusammen. Irgendwann habe ich dann auch ihre Mutter getroffen, wir gingen sofort zusammen Kaffee trinken und sie erzählte mir ihre Geschichte. Ich war tief betroffen von deren Schicksal, sodass ich beschloss einen Film daraus zu machen. Natürlich ist nicht alles identisch, aber das Grundgerüst stammt von deren Geschichte.

Wie haben Sie den Film denn drehen können? Er spielt doch so viel auf den Straßen und in öffentlichen Einrichtungen.

Eva Pervolovici: Für die öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Obdachlosenunterkunft, brauchten wir Genehmigungen. Auf der Straße konnten wir natürlich einfach so drehen und in der U-Bahn und in der Oper haben wir unerlaubter Weise gedreht, da das sonst viel zu viel Geld gekostet hätte.

Wie lange hat denn der ganze Prozess gedauert?

Eva Pervolovici: Also die Idee dazu kam mir vor 3 Jahren, dann musste natürlich noch das Drehbuch geschrieben und generell alles gut vorbereitet werden. Dann kommen natürlich auch noch die Dreharbeiten dazu. Da Marussia noch so klein ist, konnten wir allerdings nicht so viele Tage hintereinander drehen. Wir haben dann immer zwei Tage gedreht, ein Tag Pause gemacht, drei Tage gedreht und wieder ein Tag Pause gemacht und so weiter. Insgesamt hatten wir dann 44 Drehtage, die sich auf zwei Monate erstreckt haben.

Wie konnte eigentlich Marussia ihren Text lernen? Sie ist doch noch so klein!

Eva Pervolovici: Sie musste ihn nicht lernen. Vor jeder Szene haben wir ihr einmal gezeigt, was sie machen soll und das hat sie dann mehr oder weniger gut umgesetzt.

Wie war es eigentlich für die Schauspielerin der Mutter, Dinara Drukarova, an der Seite eines so jungen Kindes einen Film zu drehen?

Eva Pervolovici: Sie meint, es sei eine ganz tolle Erfahrung gewesen. Bei den Dreharbeiten habe ich selbst gemerkt, dass es eine große Herausforderung ist – nicht nur für die Schauspielerin, auch für das restliche Team – mit so einem kleinen Kind zu arbeiten. Man kann eigentlich nie genau wissen, was sie als nächstes macht. Es passieren total viele unvorhersehbare Dinge, wenn man mit einem Kind dreht. Es ist also einerseits sehr schwer, aber andererseits auch ein sehr schönes Geschenk.

Wie haben Sie eigentlich die Schauspielerin der Mutter gefunden?

Eva Pervolovici: Wir hatten ein sehr langes Casting in ganz Europa und haben uns hunderte von Bewerberinnen angesehen. Schließlich haben wir Dinara Drukarova gefunden, die eine sehr bekannte Schaupielerin in Frankreich ist.

Gibt es denn in Paris viele Obdachlose?

Eva Pervolovici: Das Problem der Obdachlosigkeit ist schon ein Problem. Ich sehe beispielsweise in der Nähe meines Zuhauses immer eine Familie mit drei jungen Kindern, die leider auch obdachlos ist und manchmal auf der Straße schlafen muss. Das finde ich sehr traurig.

Warum hatte der Film denn eigentlich so ein abruptes Ende?

Eva Pervolovici: Es hätte noch die ganze Zeit so weitergehen können, das Leben ist schließlich lang, aber irgendwann muss man dann auch einfach den Schlussstrich ziehen.

Sind Sie das erste Mal in Berlin?

Eva Pervolovici: Oh nein, ich war bereits vor 5 Jahren beim Berlin Campus und habe hier auch schonmal meinen Kurzfilm „Little Red“ gezeigt. Insgesamt bin ich schon zum vierten Mal hier.

Und wie gefällt Ihnen die Stimmung hier?

Eva Pervolovici: Sie ist unglaublich. Uns außerdem liebe ich einfach dieses Kino. Es ist doch wirklich toll: so groß und architektonisch wirklich schön.

Dem können wir nur zustimmen. Wir bedanken uns bei ihr, geben ihr noch einen Flyer von uns mit, da sie sehr interessiert wirkt und verabschieden uns schließlich.

Sarah Gosten

Ein erhellendes Publikumsgespräch - The Cold Lands

Während man vielleicht noch mitten im Film die Stirn runzelte, so glätteten sich die Falten doch recht bald, als Regisseur Tom Gilroy zu sprechen beginnt. Es war vielleicht das angenehmste und informativste Publikumsgespräch, bei dem ich je dabei war, da Gilroy von sich aus sehr viel und ausführlich erzählte und noch viel mehr Informationen gab, als es zum Beantworten der Frage benötigt hätte. Das war wirklich großartig, denn ich schätze, andernfalls hätte ich den Film auch etwas schlechter in Erinnerung behalten.

Zuerst dankt uns der Regisseur ganz herzlich, denn es sei eine tolle Erfahrung, den Film auf einer so großen Leinwand zu sehen - und das auch noch in einem Raum voller fremder Leute! Außerdem war es auch für jedes Mitglied der Filmcrew das erste Mal, den Film auf einer so großen Leinwand zu sehen.

Wie war es, mit einem so jungen Menschen zu arbeiten?
Tom Gilroy: Es war großartig. Silas lebt in der Stadt, in der wir größtenteils gedreht haben. Das war mir sehr wichtig, denn ich wollte einen glaubwürdigen Schauspieler haben, der sich mit Tieren auskannte, auf einer Farm lebte. Als ich auf der Suche nach so einem Schauspieler war, sah ich Silas bei einer Theateraufführung in seiner Stadt, er war einer der Stars. Nach der Veranstaltung sprach ich ihn an und er nahm mein Angebot an. Für vier oder fünf Monate gab ich ihm Schauspielunterricht, immer etwa zwei bis drei Stunden. Vor dem Dreh wollte ich Silas noch einmal vor der Kamera sehen, um entscheiden zu können, ob wir überhaupt einen Film würden drehen können, und wir arrangierten einen Kurzfilm mit meiner einer ganz kleinen Crew in meinem Haus. Anscheinend gefiel Silas am Ende selbst, was er sah, denn er war einverstanden, weitere sechs Monate mit mir zu arbeiten, und dann drehten wir den Film.

Wie kam der Film zu seinem Titel "The Cold Lands"
TG: Im Nordosten Amerikas gibt es eine Menge Schilder, die die Geschichte der Felder erläutern oder kennzeichnen. Am Ende des Films wurde ein solches Schild gezeigt. Es steht nicht weit entfernt auf dem Weg zu meinem Haus und es bezeichnet "The Cold Lands". Immer, wenn jemand Probleme mit dem Gesetz bekam, zum Beispiel eines Verbrechens beschuldigt wurde, und dann auf einmal verschwand, dann war man angeblich in die "Cold Lands" verschwunden.

Was genau wollte Sie mit dem Film ausdrücken, gab es eine große Sache, die Sie verfolgt haben?
TG: Ich wollte einen Film über ein Kind drehen, das mit Umständen konfrontiert wird, die gefährlich oder riskant sind. Und auch wenn es für das Kind gut ausgeht, macht man sich Gedanken darüber, was ihm in einer solchen Gesellschaft passieren könnte.


Während des Drehs, haben Sie Silas nur direkte Anweisungen gegeben, wie er spielen sollte, oder haben sie mit ihm darüber gesprochen, wie es wäre, seine Mutter zu verlieren und anderes?
TG: Ich habe mit Silas nie die großen Fragen des Films diskutiert. Es war immer mehr wie "wenn das passieren würde, was würdest du dann tun, wie würdest du dich fühlen". Ich denke, für ihn war es eher wie ein großes Spiel. Er hat sich wohl gedacht "dieser Typ hat mir jetzt fast ein Jahr lang versucht, etwas beizubringen, und jetzt habe ich die Gelegenheit, zu zeigen, was ich drauf habe." Es war mehr ein Abenteuer, eine Erfahrung für ihn. Er hat es einfach getan. Und bis jetzt hat er den Film auch noch nie gesehen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er großartig etwas dazu zu sagen hätte.

An welche Krankheit ist die Mutter denn gestorben?
TG: Sie litt an Diabetes. Was dann oft passiert, ist, dass man einen kleineren Herzinfarkt erleidet, doch die Symptome sind denen der Diabetes sehr ähnlich, weshalb man sie kaum bemerkt. Doch dann gibt es einen größeren Herzinfarkt, an dem man eben stirbt. Die Mutter im Film hatte zu der Zeit schon einen Herzinfarkt und ist dann an dem anderen gestorben.

Wie war es denn für die Schauspieler, mit einem Kind, bzw. mit Silas zu arbeiten?
Peter Scanavino: Es war natürlich ganz anders, als mit einem Erwachsenen zu arbeiten, aber um ehrlich zu sein, hat es mich mehr beruhigt, als aufgeregt. Es gab diverse einfache Momente, da wir nicht unbedingt mehr gemacht haben, als unbedingt nötig war, es war wirklich entspannt mit Silas.

Wie lange habt ihr gedreht?
TG: 5 Wochen. Es waren teilweise sehr kurze Wochen, da Silas ja Schule hatte, und zwischendurch kam dann auch noch ein Hurrikane, also war die erste Frage morgens immer, wie das Wetter war, ob wir überhaupt etwas aufnehmen konnten.

Was denken Sie, wie hat sich das Kind gefühlt? Der Junge war so allein, war er stark und mutig, oder eher traurig?
TG: Ich denke, er hat Peter vertraut und die Dinge kamen einfach, wie sie kamen. Er hatte nicht wirklich eine andere Wahl, als die Dinge so zu nehmen, wie sie eben kamen. Was passierte, das passierte. Er hatte seine Mutter verloren, was ein ziemlicher Schock war, aber ich weiß nicht, ob er besonders allein war. Er war eher neugierig, nachdenklich, bedächtig. Mein Ziel war es mehr, einen Film über den Teil des Lebens eines Heranwachsenden zu drehen, zu dem man langsam anfängt, über Dinge nachzudenken und sie anders wahrzunehmen. Wenn ein 11-Jähriger beginnt, über wichtigere Dinge als Sport und Essen nachzudenken und langsam beginnt, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Und obwohl er seine Mutter in dieser Zeit seines Lebens am meisten brauchen könnte, kann sie nicht für ihn da sein. Es ist, als stünde er in einer plötzlich geöffneten Tür und wüsste nicht so genau, wo es langgeht, weil er auf einmal allein gelassen wurde.

Johanna Gosten